Was ist denn hier los?

Von Katrin Schulte-Lohmöller

Mit den ersten Sonnenstrahlen werden die Lebensgeister aus dem Winterschlaf geholt und die eingerosteten Knochen wieder fit für den Sommer gemacht. Ist der innere Schweinehund erst einmal überwunden, kann es losgehen mit dem persönlichen Sportprogramm. Jogger, Fahrradfahrer oder Fußballgruppen beherrschen langsam wieder das Fuldaer Stadtbild. Doch es geht auch anders.

Ferdinand Kleiss, 11 Jahre, Bogenschießen

Achtung, bitte noch nicht einlegen!

Mit seinen elf Jahren ist Ferdinand ein großer Sportfan. Er guck gern Fußball, spielt Basketball, schwimmt – und seit fast drei Jahren hat er ein besonderes Hobby: das Bogenschießen. „Jetzt aber“, ruft Ferdinand, als er sich bereit für einen neuen Schuss macht. Mittlerweile trifft er die Übungsscheibe aus 15 Metern Entfernung; angefangen hat er mit zwei Metern Abstand. „Bogenschießen ist der Wahnsinn. Zum Geburtstag habe ich einen eigenen Bogen bekommen. Aber zuhause darf ich nicht schießen.“ Einmal in der Woche kommt er deshalb zum Bogenschießen des Vereins Jeder ist anders – Inklusionssport Fulda e. V. Dort trainiert er mit anderen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. „Es ist der Mix aus Entspannung und Konzentration, der das Bogenschießen so besonders macht“, fasst die Trainerin Christina Ebert die Trendsportart zusammen. „Wir brauchen Armschoner, Handschuhe, Köcher und Pfeile und den Bogen“, erklärt Ferdinand. „Ich gucke zur Scheibe, bis drei zählen und loslassen. Und an die Regeln denken. Warten bis keiner kommt. Keiner darf hinter mir stehen.“ Nachdem er seine Pfeile von der Übungsscheibe eingesammelt hat, ruft er laut: „Bitte noch nicht einlegen!“ Denn erst, wenn wieder alle hinter der weißen Sicherheitslinie sind, darf der Pfeil in den Bogen gespannt werden. „Und wenn ich Gelb treffe, dann bin ich glücklich.“

 

 

Gerhard Funk (im Bild zweiter von rechts), 68 Jahre, Stockschießen

Das Lachen hat uns angelockt

„Stockschießen ist insbesondere im Alpenraum bekannt und vor über 40 Jahren haben wir diese Sportart nach Fulda geholt. Mit ‚wir‘ meine ich die insgesamt zwölf Gründungsmitglieder unseres Vereins SC Schovel Fulda 1976 e. V. Damals waren wir noch aktive Handballer und haben einen Mannschaftsausflug gemacht. Als wir umherwanderten, fiel uns eine Gruppe auf, die ein seltsames Spiel spielte und unglaublich großen Spaß dabei hatte. Das schauten wir uns genauer an und sind seitdem begeisterte Stockschützen. Wieder zurück vom Ausflug beschlossen wir 1976 bei einem Bierchen in unserer Lieblingskneipe, einen Verein in Fulda zu gründen. Und weil wir den Begriff ‚Stockschießen‘ etwas irreführend fanden – wir schießen ja schließlich nicht – haben wir uns einfach den Namen Schovel ausgedacht. Mit diesem Namen sind wir dank unserer regelmäßigen Teilnahme an verschiedenen Meisterschaften bundesweit bekannt. Und aus den anfänglichen zwölf Mitgliedern sind mittlerweile 30 Männer und Frauen geworden. Zwei Dinge werden bei uns im Verein seit über 40 Jahren großgeschrieben: Wir sind ein Team, denn Stockschießen ist ein Mannschaftssport. Und der Spaß beim Spielen steht immer an erster Stelle. Und so sind wir eine lustige Truppe, die zusammen viel Zeit an der frischen Luft verbringt und den einen oder anderen Zuschauer zum Mitmachen begeistert.“

 

 

Hendrik Merchel, 25 Jahre, Krav Maga

Die mentale Stärke ist entscheidend

„Als ich 2012 zufällig in das Studio FightFactory Fulda gestolpert bin, hatte ich keine Vorstellung, wie sehr sich mein Leben verändern würde. Mit meinen 1,87 Metern und 70 Kilo war ich ein eher dünner Jugendlicher, der nicht gerade vor Selbstbewusstsein strotzte. Damals hätte ich nie gedacht, irgendwann mal Kampfsportler und Trainer im Krav Maga zu sein. Doch genau diese Entwicklung – nicht nur körperlich, sondern vor allem mental – bringt Krav Maga mit sich. Der Begriff kommt aus dem Hebräischen und bedeutet Kontaktkampf. Imrich Lichtenfeld entwickelte und unterrichtete diese Sportart in der Slowakei Anfang des vergangenen Jahrhunderts, um seine Mitmenschen vor antisemitischen Übergriffen zu schützen. 1942 ging Lichtenfeld nach Palästina und machte 1948 als Nahkampfausbilder Krav Maga zur offiziellen Nahkampftechnik des israelischen Militärs. Das Besondere bei Krav Maga ist, dass es sehr viele Techniken aus verschiedenen Kampfsportarten vereint. Dabei geht es aber nie um den Angriff auf andere Personen, sondern um die eigene Verteidigung. Dieses Mindset gebe ich als Trainer auch meinen Schülern weiter: Krav Maga ist ein Werkzeug zur Selbstverteidigung. Wie effektiv dieses Werkzeug ist, hängt von jedem selbst ab. Bei diesem Sport ist kein Platz für ein zu großes Ego. Du musst immer fokussiert und auch unter Stress ruhig bleiben können. Und auch nach sieben Jahren Krav Maga, drei Jahren Kickboxen und zwei Jahren Jiu Jitsu bin ich überzeugt, dass ich noch viel zu lernen habe.“

 

 

Fabian Schmidt, 32 Jahre, Finswimming

Meerjungfrauen schwimmen besser

„Wasser ist einfach mein Element. Meine Mutter war drei Tage vor meiner Geburt noch im Tauchtraining und als ich im Jugendalter anfing, meinen Vater beim Tauchen zu umkreisen, weil ich schneller als er war, hat er mir ein Probetraining beim Finswimming organisiert mit den Worten: ‚Jetzt schwimmst du mal bei den großen Fischen mit!‘ Beim Finswimming hat man eine sogenannte Monoflosse, also nur eine Flosse an beiden Füßen. Das ist im ersten Augenblick sehr ungewöhnlich und erinnert viele Leute an Meerjungfrauen, aber wenn man die Technik beherrscht, kann man unglaublich schnell werden. Eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen, ist das Ziel bei dieser Sportart – zumindest für mich als Sprinter. Das bedeutet, dass ich Strecken über 50 oder 100 Meter trainiere und keine Langstrecken. Seit mittlerweile sieben Jahren trainiere ich bereits im Verein Tauchsportgemeinschaft 1980 Fulda e. V. Aktuell bin ich Hessenmeister im Finswimming, aber an Wettkämpfen nehme ich nur noch aus Spaß teil. So war es auch naheliegend, dass ich vergangenes Jahr beim Meerjungfrauen-Schwimmen in Suhl dabei war. Das ist ein Wettkampf, bei dem alle Sportler im Meerjungfrauenkostüm 100 Meter auf Zeit schwimmen. Natürlich bekomme ich im ersten Augenblick immer ein Schmunzeln dafür, aber letztendlich würden die meisten es selber gerne mal ausprobieren, als Meerjungfrau durchs Wasser zu schwimmen.“

 

 

Sebastian Bönisch, 35 Jahre, Speedskating

Etwas schneller bitte

„Mit einem gemütlichen Skate-Ausflug ist die Sportart Speedskating nicht zu vergleichen. Angefangen mit diesem Hobby habe ich auf dem Tuesday Night Skating (TNS) in Frankfurt. Jeden Dienstagabend treffen sich dabei etwa 1.000 Leute, um über 30 Kilometer durch die Straßen Frankfurts zu fahren. Das ist einfach faszinierend. Wer die Stimmung mit Musik und die Geschwindigkeit auf acht Rollen und gnadenlos gutem Asphalt von Autostraßen einmal miterlebt hat, der kann durchaus süchtig werden. Und so kam es, dass ich nach gut einem Jahr vom normalen Inlineskating zum Speedskating gewechselt habe. Die größeren Rollen und längeren Schienen beim Speedskating ermöglichen eine ganz andere Geschwindigkeit. Man spricht hier vom sogenannten Double-Push, eine spezielle Art des Beinabstoßes bei einer halbkreisförmigen Bewegung des Schuhs. Diese ist gut vergleichbar mit dem Stil des Skilanglaufs. Um diese Technik zu lernen und zu verbessern, war ich in Mainz in einem Verein und seitdem ich in Fulda leben, trainiere ich ab und zu bei dem relativ neuen Verein Domskater Fulda. Die Geschwindigkeit reizt mich. Mittlerweile komme ich bei geraden Strecken auf 25 bis 30 km/h und bergab habe ich sogar schon 70 km/h geschafft. Da werden ab und an auch mal Radfahrer überholt. Damit mir Platz gemacht wird, habe ich mir eine Fingerklingel zugelegt. Das funktioniert sehr gut und die irritierten Blicke der Radfahrer sind unbezahlbar.“

 

 

Kerstin Will, 38 Jahre, Boccia

Ein bisschen Urlaub im Alltag

„Die meisten Leute haben Boccia schon einmal in ihrem Italien- oder Frankreichurlaub gesehen oder im Fernsehen. Und es funktioniert wirklich genau so. Seit fast vier Jahren spiele ich Boccia im Verein Jeder ist anders – Inklusionssport Fulda e. V. und freue mich jede Woche auf das Training. Vor allem finde ich es gut, dass diese Sportart auch für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Boccia spielen wir immer in zwei Teams und es macht Spaß, sich gemeinsam auf das Spiel zu konzentrieren. Das ist auch der Grund, warum ich diesen Sport so mag. Du musst deinen Kopf einschalten, um dich auf den nächsten Wurf vorzubereiten. Am Anfang ist es schon sehr schwer, die Kugeln richtig zu werfen. Aber irgendwann hast du die richtige Technik raus und dann geht's eigentlich. Jetzt freue ich mich auf die Sommersaison, denn wir haben draußen eine richtige Boccia-Bahn mit Felsenkies zum Trainieren. Im Winter sind wir immer hier in der Halle. Das ist zwar auch schön, um nicht aus der Übung zu kommen, aber draußen bei Sonnenschein macht es am meisten Spaß.“

 

 

 

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