Vorwort: Vergesst das Unmögliche
Jeder kennt ihn. Sie kennen ihn auch. Er ist – sagt er selbst – der Punk der modernen Physik.
Seinen wissenschaftlichen Gedankengängen kann man kaum folgen; und dies gilt nicht nur für Laien. Selbst Fachkollegen können ins Schleudern geraten, wenn die Zeit sich verbiegt und Schwarze Löcher sogar die Logik der eigenen Gedankenwelt auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen. Nichtphysiker kennen ihn in der Regel aber nicht seiner bahnbrechenden Theorien wegen. Er ist ihnen vertraut, weil er so schrecklich behindert ist. Klein und zusammengekauert sitzt er in einem riesigen Rollstuhl, der neben einem Sprachcomputer, mit dem er mühsam seine Äußerungen zusammenbaut, auch die Beatmungsmaschine enthält, ohne die er nicht überleben könnte. Sie haben ihn sicher längst erkannt. Die Rede ist von Stephen Hawking, der wie kein anderer die physikalische Wissenschaft dominiert und jetzt seine Autobiografie vorgelegt hat. Mit großem Interesse habe ich sie gelesen. Wie sieht sich Stephen Hawking mit seinem Handicap? Wie kommt er zurecht mit dieser unglaublichen Differenz zwischen der Größe seines wachen Geistes und den harten Grenzen, die ihm sein Körper setzt? Hat er eine Botschaft für Menschen mit Handicap? Wer mit dieser Fragestellung das Buch zur Hand nimmt, wird eine Überraschung erleben. Das Thema taucht nur am Rande auf, fast beiläufig. Zuerst sachlich, wenn Hawking die Geschichte seiner fortschreitenden Erkrankung beschreibt. Und dann mit augenzwinkerndem Humor, wenn er zum Beispiel erklärt, dass er auf dem berühmten Lehrstuhl von Isaak Newton sitzt – der damals aber noch nicht elektrifiziert war. Im Übrigen habe ihm seine Behinderung viele Vorteile gebracht. In einem Fesselballon sei er über dem Meer gefahren, in einem U-Boot unter dessen Oberfläche. Ein Papst habe vor ihm niedergekniet, um sich auf Augenhöhe mit ihm zu unterhalten. Vor allem aber habe ihm seine Behinderung die lästige Lehre an einer Universität erspart, so dass er sich ausschließlich seinen Forschungen habe widmen können. Man begegnet einem Menschen, der keinen Zweifel daran lässt, dass es auf die eigene Entscheidung ankommt, wie man sein Leben lebt – mit oder ohne Handicap. Und die Botschaft? Sie ist ebenso eindeutig: Behinderte sollen das tun, was ihnen möglich ist, statt Dingen hinterherzutrauern, die ihnen nicht möglich sind. Und sagen Sie jetzt nicht: „Interessante Aufforderung für Menschen mit Handicaps!“ Die Aufforderung geht auch an Sie. Willkommen zum Seitenwechsel.
In diesem Sinne …
Ihr Hanno Henkel mit Redaktionsteam