Meine Liebe ...
Keine Liebe gleicht der anderen. Dabei ist jede Liebe ein kleines Wunder – vor allem, wenn sie hält, was sie anfangs verspricht.
Und weil meist mehr über das Scheitern gesprochen wird als über das Gelingen, haben wir uns drei stabile, ein bisschen ungewöhnliche und zugleich ganz normale Liebesgeschichten erzählen lassen.
Weil er diese Person ist
Claude und Hermann
protokolliert von Arnulf Müller
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Claude und Hermann
H: Wir haben uns zufällig in einem Berliner Restaurant kennengelernt, als ich dort Freunde besuchte. Ich würde sagen: Liebe auf den ersten Blick.
C: Bei mir auf den zweiten.
H: Nach dieser ersten Begegnung bekam ich ihn nicht mehr aus dem Kopf. Als ich ein Jahr später wieder in Berlin war, ging ich gezielt in dasselbe französische Restaurant, weil er dort als Kellner arbeitete. Da fing es an, dass er auch mich bemerkte, und wir lernten uns besser kennen.
C: Hermann war sich sicher, dass ich immer noch dort war. Er kam überhaupt nicht auf die Idee, dass ich vielleicht umgezogen, woanders arbeiten oder sonst etwas sein könnte.
H: Für den kommenden Tag verabredeten wir uns gleich – und da begann unsere Beziehung. Das ist jetzt 23 Jahre her. Kurz nach diesem zweiten Berlinbesuch reiste ich nach Rom, das war länger geplant. Meine Freundin merkte, dass ich nicht wirklich mit meinen Gedanken im Rom war. Ich dachte nur: Was will ich hier? Da hab ich dann von Rom aus mit Fleurop Blumen in Claudes Restaurant geschickt.
C: In dieser Zeit haben wir uns sehr viel geschrieben, Karten vor allem.
H: Und Faxe geschickt, einfach um Kontakt zu halten, und wenn es ging auf dem Festnetz telefoniert. Es hat ein Jahr gedauert, bis klar war, dass wir zusammenleben wollten.
H: Mir ist es wichtig, ein gesichertes soziales Umfeld zu haben und ich hatte damals Angst und Bedenken, in der Drei-Millionen-Stadt unterzugehen. Irgendwie fürchtete ich auch, dass unsere Beziehung dort untergehen könnte.
C: Und ich wollte gerne Berlin verlassen und an einem kleineren, ruhigeren Ort leben.
H: Die Eröffnung der Café Bar 22 bot dann die Gelegenheit, Claude hier in Fulda einem größeren Kreis vorzustellen. Er war das erste Mal hier. Viele kannten ihn von meinen Erzählungen her, aber er kannte niemanden. Das war schon nicht einfach für ihn. Bald darauf ist er in die Gastronomie in Fulda eingestiegen. Von da an lebten wir auch zusammen. In den Kreisen, in denen ich verkehrte, war das nie ein Problem. Probleme hatte ich, als ich jünger war, in der Coming-Out-Zeit, als es mir nicht möglich war, meine ersten Männerbekanntschaften zu verheimlichen. Heute ist das kein Thema mehr.
C: Auch für unsere Familien nicht.
H: Claude geht mit zu uns nach Hause und ich zu seiner Familie in Frankreich.
C: Meine Mutter hat relativ schnell gesagt: „Ich habe jetzt nicht nur drei Söhne, ich habe jetzt vier.“ Sie brauchte nur ein bisschen Zeit, um sicher zu sein, dass es nicht nur eine Affäre ist.
H: Die Lebenspartnerschaft haben wir dann in 2003 eintragen lassen.
C: Da waren wir fast die ersten in Fulda. Es war super, dass Frau Glückler vom Bürgerbüro damals die Lebenspartnerschaft durchgeführt hat. Ich kannte sie von meiner aktiven Zeit beim Ausländerbeirat her, und sie hat es toll gemacht.
H: Das war eine Party für unsere ganzen Freunde drumherum.
C: Wir leben unser Leben ohne Probleme. Gegenüber Fremden ist vor allem die erste Stufe schwierig, wenn man sagt: „Ich lebe mit einem Mann zusammen.“ Das ist nicht für alle so einfach.
H: Claude hat durch seinen jetzigen Beruf eines Reisebegleiters öfter die Situation, dass die Gäste fragen: „Was sagt denn Ihre Frau dazu, dass sie so oft weg sind?“ Wenn er dann von seinem Mann spricht, ist das – ja, eine Störung.
C: Im Prinzip gibt es aber keinen Unterschied zu heterosexuellen Paaren. Einen vielleicht [schmunzelt]: Wenn wir beide irgendwo sitzen, sage ich zum Beispiel: „Guck mal, der Mann da drüben, der gefällt mir.“ Da können wir locker drüber sprechen. Wenn ein Mann zu seiner Frau sagt „Schau mal, die Frau da drüben gefällt mir“, ist das vielleicht eher schwierig.
H: Ich habe das Gefühl, dass diese Errungenschaften der Befreiung und größeren Selbstbestimmung von den jüngeren homosexuellen Männern als etwas all zu Selbstverständliches aufgefasst werden. Sie hinterfragen nicht mehr, wie lange es gedauert hat, bis es soweit war. Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass der §175 abgeschafft wurde. Als ich als Jugendlicher in der Disco war, habe ich heimlich Händchen gehalten. Da hat sich eine Freundin dazwischen gesetzt, damit es niemand mitbekommt. Die Freiheit, dass man es heute offen zeigen kann, muss man bewahren. Da muss man etwas für tun.
C: Es könnte die Regierung wechseln oder einfach die Mentalität. In einigen Nachbarländern war es schon mal toleranter, jetzt hat sich das wieder zurückgedreht; in Polen und Ungarn etwa, also sogar in Ländern der EU.
H: Toleranz ist nicht von der Natur gegeben. Das muss man sich erarbeiten.
C: Solange man sich nicht in der Norm bewegt, hat man auch hier noch manchmal das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. Mir sagte mal ein Kollege: „Das hättest du mir doch sagen müssen, dass du homosexuell bist“! Da habe ich geantwortet: „Du hast mir doch auch nicht gesagt, dass du heterosexuell bist.“ Darauf er: „Das muss ich ja auch nicht!“ Darauf ich wieder: „Ich auch nicht!“
H: Wenn die Leute es erfahren, sind sie erst mal still und überlegen. Dann sagen sie: „Du siehst aber gar nicht so aus.“ Wenn ich in meinem Beruf als Fremdsprachensekretär zum Beispiel in Indien bin, sage ich es besser nicht. Aber das kann ich aus der Sicht ihres Kulturkreises verstehen. Hier in Europa sage ich es natürlich, aber man hat aufgrund der Geschichte gelernt, vorsichtig zu bleiben.
C: Es gibt auch Leute, die fragen: „Wann bist du denn homosexuell geworden? Was war das Ereignis?“ Ich sage dann, dass ich es nicht geworden, sondern immer schon gewesen bin. Dass man so geboren wird, ist für viele unvorstellbar. Ihre Absicht ist zu sagen: „Wenn es einmal durch einen Anlass passiert ist, kann man es vielleicht auch wieder heilen.“ Sie haben die Einstellung: „Ja, wir akzeptieren das! Aber du musst trotzdem etwas dagegen machen.“
H: Es sind meist heterosexuellen Männer, die damit Probleme beziehungsweise Berührungsängste haben. Mit 99 Prozent der Frauen gibt es kein Problem. Vielleicht sind Frauen von Natur aus toleranter, abwartender und nicht sofort auf Widerstand aus. Deswegen gibt es denke ich auch oft diese engen Bindungen zwischen Schwulen und Freundinnen.
C: Die Frauen wissen, dass solche Männer keine Hintergedanken haben. Da ist das Verhältnis ungestörter.
H: Viele heterosexuelle Männer haben die Phantasie, dass ein Schwuler einen anderen Mann automatisch geil finden muss, nur weil er ein Mann ist. Manche fühlen sich gleich als potentielles Objekt. Dabei gibt es so viele Männer, bei denen ich nie auf die Idee kommen würde! Dass ich mit Claude zusammen bin, liegt ja nicht allein daran, dass er ein Mann ist, sondern weil er diese bestimmte Person ist.
Iran trifft Rheinland
Herr Paulus
protokolliert von Arnulf Müller
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Nach Deutschland kam ich 1984. Während der Islamischen Revolution in Persien, dem heutigen Iran, blieben die Universitäten fast fünf Jahre lang geschlossen. So entschloss ich mich mit 24 Jahren, zum Studium nach Berlin zu gehen, und erhielt glücklicherweise das Visum und einen Studienplatz für Humanmedizin. Aus vielen Gründen konnte ich das dann nicht abschließen und bin andere Wege gegangen. Nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, weil der Krieg zwischen Iran und Irak mich damals so sehr beschäftigte. Meine Familie lebte in der Grenzregion.
Als Medizinstudent lernte ich meine heutige Frau auf einer Krankenstation kennen. Sie arbeitete als leitende Schwester, unterrichtete das Pflegepersonal und wies auch mich in die Station ein. Ich muss sagen, es war Liebe auf den ersten Blick. Ich bin ihr dann immer wieder begegnet und habe ihr auch signalisiert, dass ich Interesse an ihr habe und sie liebe. Wie das bei Frauen so ist, zeigte sie sich zunächst etwas zurückhaltend. Später habe ich festgestellt, das es auch bei ihr Liebe auf den ersten Blick war. So begann unsere Beziehung. Das war 1988. Wir lebten in Berlin, wo der Ausländeranteil sehr hoch war, da gab es keine Probleme. Meine Frau stammte aber aus dem Rheinland. Wegen ihrer Familie musste unsere Beziehung geheim bleiben. Zudem wurde in dieser Zeit das Buch „Nicht ohne meine Tochter“ veröffentlicht. Das Buch war von einer Amerikanerin geschrieben worden, die mit einem iranischen Arzt verheiratet war. Sie wollten im islamisierten Iran Urlaub machen, doch dort setzte ihr Mann sie unter Druck, nicht mehr in die USA zurückzukehren. Die Frau verlässt schließlich das Land mit Hilfe von Menschenschmugglern. Sechs Jahre nach der Veröffentlichung des Buches stellte sich heraus, dass der CIA bei diesem Buch mitgewirkt hatte, um dem Iran politisch zu schaden. Das Buch wurde in Deutschland ein Bestseller. Meine Frau kannte es und natürlich die Familie meiner Frau auch. Das Bild eines persischen Mannes war dadurch stark belastet. Aber die Liebe war doch so groß, dass meine Frau ihre Bedenken überwand. Nach zwei Jahren der Geheimhaltung ergab es sich, dass in der Familie ein größeres Fest stattfinden sollte. Meine Frau, die inzwischen auch Medizin studierte, wollte mich zu dieser Gelegenheit vorstellen. Ich hatte ihr immer gesagt, dass ich sie nicht unter Druck setzen würde und auch akzeptieren könnte, wenn unsere Wege sich trennten. Doch schließlich fuhren wir ins Rheinland und die Aufregung war entsprechend groß. Wir waren drei Tage dort – und wurden sehr herzlich aufgenommen. Natürlich hatten einige der Verwandtschaft Vorurteile, waren sehr distanziert und haben mir nicht mal die Hand gegeben. Sie haben ihr Ablehnung provokativ gezeigt. Und leider Gottes wurde ich immer wieder auf dieses Buch angesprochen. Ich diskutierte mit ihnen darüber, was an dieser Geschichte nicht stimmte.
Die Offenlegung unseres Verhältnisses war eine große Erleichterung. 1991 heirateten wir, zwei Jahre später kam unser Sohn zur Welt, und ich wurde sogar der Lieblingsschwiegersohn. Auch ich habe meine Schwiegermutter bis zu ihrem Tod geliebt. Männer sind zurückhaltender, aber mein Schwiegervater hat mich immer respektiert. Was ihnen sehr gut gefallen hat, war die iranische Höflichkeit. Das war für junge Menschen eher ungewöhnlich. Insgesamt habe ich viel Herzlichkeit erfahren. Ich hoffe, dass ich ihnen in dieser Hinsicht auch viel zurückgeben konnte.
Meine Frau war achtmal im Iran, erforschte das Land und seine Geschichte. Obwohl ich nicht versucht habe, ihr persisch beizubringen, kann sie es, weil sie sich für die Sprache interessierte. Umgekehrt hat es mir geholfen, mich mit ihr über bestimmte Sitten und Gebräuche in Deutschland auszutauschen. Mir wurde klar, warum und weshalb manches so ist, wie es ist. Natürlich entdeckt man in einer solchen Ehe auch kulturelle Differenzen, aber im Lauf der Jahre lernt man zu akzeptieren, was anders ist. Ich bin heute zwar zu 99 Prozent Deutscher, aber es gibt einen Rest, den man einfach tolerieren muss. Das geht meiner Frau mit mir genauso. Ich kenne ähnliche Ehen zwischen Iranern und Deutschen, bei denen man an solchen Punkten nicht zu einer gemeinsamen Lösung kommt. Da macht jeder stur seine Sachen so, wie er es sieht. So etwas belastet mich komischerweise.
Wir sind jetzt seit 27 Jahren verheiratet. In jeder langen Beziehung gibt es auch Konflikte, aber wir konnten immer darüber sprechen. Wir führen eine harmonische Ehe.
Hinterher ist alles Käs'
Stephanie Breitung und René Schickentanz
protokolliert von Katrin Schulte-Lohmöller
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Stephanie Breitung und René Schickentanz
R: Eigentlich ist es ein großer Zufall, dass wir uns kennengelernt haben. Damals habe ich im Kronhof in Fulda gewohnt. Das ist ein Wohnprojekt von antonius, und alle meinten zu mir, ich soll zur Wohnschule gehen. Die Wohnschule ist wie ein Schnupperkurs fürs selbstständige Wohnen und gehört auch zu antonius. Da haben wir gelernt, wie man alleine wohnt. Ich wollte das zuerst gar nicht, aber dann habe ich es doch einfach ausprobiert. Am ersten Tag bin ich als Letzter in den Klassenraum gekommen und ich habe direkt die Stephanie gesehen. Sie hat mich auch angeguckt. Seit diesem Tag finde ich sie ganz schön toll.
St: Mir ist er auch sofort aufgefallen. Aber ich habe mich nicht richtig getraut und wir waren zuerst ein Jahr lang nur befreundet. Ein Freund hat mich immer gefragt, wie ich den René finde, und er hat mir erzählt, dass der René mich mag. Nach einem Treffen hat mich der René zum Bus gebracht und gewartet, dass der Bus wegfährt. Aber der Bus stand noch mit offenen Türen an der Haltestelle und dann habe ich mir gedacht, jetzt oder nie. Ich bin aufgestanden, zum René gegangen und dann habe ich ihn einfach geküsst. Das war ganz schön aufregend.
R: Und seit diesem Tag sind wir zusammen. Am 12. Juli 2018 ist das schon dreizehn Jahre her. Zuerst haben wir es keinem erzählt. Das macht man ja so. Wir wollten erst einmal gucken, ob das auch passt mit uns. Unseren Familien ist es natürlich schon aufgefallen, dass wir uns so oft getroffen haben. Und als mich Stephanies Schwester zu ihrer Hochzeit eingeladen hat, war es dann offiziell. Sie meinte: „Du gehörst doch eh schon zur Familie.“ Das hat uns sehr gefreut und dann wusste es auch jeder.
Auf der Arbeit fragen sie manchmal, wie es meiner Freundin geht. Das finde ich schön. Ich arbeite bei einem Unternehmen in Fulda und die Stephanie arbeitet bei antonius.
St: Da kennen auch alle den René. Wir gehen manchmal zusammen zu den Festen von antonius und dann treffen wir unsere alten Lehrer von der Wohnschule. Die staunen dann immer und sagen: „Wow, schon fast dreizehn Jahre.“ Sie freuen sich für uns. Genauso wie unsere Nachbarn. Mit denen verstehen wir uns auch sehr gut. Wir wohnen nämlich schon seit ungefähr sieben oder acht Jahren zusammen. So genau weiß ich das gar nicht. Vor zwei Jahren sind wir in eine Wohnung neben meiner Mutter eingezogen.
R: Für die Stephanie war es eine große Sache, als wir zusammengezogen sind. Sie hat davor ja noch nie alleine gewohnt und ist direkt von ihrer Mutter zu mir gezogen. Ich habe schon dreimal mit Freundinnen zusammengewohnt. Deswegen kannte ich das schon. Ich habe ihr geholfen, sich daran zu gewöhnen. Wir reden ganz viel miteinander. Auch wenn wir uns mal streiten oder etwas doof finden, dann setzen wir uns an einen Tisch und besprechen die Sachen.
St: Genau, wir sagen immer: „Hinterher ist alles Käs'.“ Das heißt, dass nach einem Streit auch wieder alles gut ist. Einmal habe ich aus Versehen sein Handy mitgewaschen. Ich habe nicht gemerkt, dass es noch in der Hose war. Da war er kurz sauer, aber nach zwei Tagen ging das Handy zum Glück wieder.
R: Es hat sogar noch ein halbes Jahr gehalten.
Ich finde Ehrlichkeit und Offenheit sehr wichtig. Und so haben wir uns richtig gut eingespielt. Wir finden für alles eine passende Lösung. Zum Beispiel haben wir jetzt zwei Fernseher. Dann kann die Stephanie ihre Serien im Schlafzimmer gucken und ich meine Lieblingsserien im Wohnzimmer oder andersherum. Wir kochen auch immer zusammen oder gehen ins Kino. Im Frankfurter Zoo waren wir auch schon und in Würzburg. Dann machen wir immer Tagesausflüge. Einfach ganz normale Sachen eben.