Mein bestes Stück
Treulose Konsumenten sind wir. Lockt das Neue, wandern die alten Gebrauchsgegenstände leichten Herzens in die Tonne.
Dabei täten sie es noch. Die Zeiten, in denen sich der Holzstiel eines Spatens im Laufe des Lebens dem Griff des Gärtners anschmiegte, sind vorbei. Doch zum Glück gibt es auch Gegenbeispiele.
Mein Hobel
Hanno Henkel, Künzell
Als Hanno Henkel aus Künzell Youtube für sich entdeckte, stieß er auf einen Clip, in dem ein alter Japaner mit uralten Werkzeugen Präzisionsarbeiten in Holz erledigte. Von diesem Zeitpunkt an schaltete er seine Kraftstrommaschinen im Keller immer seltener an und übte sich im manuellen Anfertigen von Schwalbenschwanzverzinkungen und anderen Raffinessen. Herzstücke seiner Werkzeugsammlung sind seitdem eine Reihe alter Handhobel, darunter auch der legendäre Stanley No. 50, gebaut in den Fünfzigern. Das ist ein unwahrscheinlich vielseitiges, effektives, aber irgendwie auch schönes Tool. „Ich weiß nicht, wie vielen Leuten er schon gedient hat. Im Prinzip kann man so ein Werkzeug erhalten, dass es noch in zwei-, dreihundert Jahren funktioniert. Auch dann wird es Menschen geben, die den Wert der Einfachheit schätzen.“
Mein Lockenwickler
Renate Kerber, Seiferts
Den Lockenstab habe ich in den 70er-Jahren von meiner Friseurin gekauft und seither hat er mich überallhin begleitet: auf meine Reisen in die USA, Kanada und viele andere Länder. Mit einer Wattzahl von 110 bis 250 ist er überall einsetzbar. Das Tolle daran ist, dass man dafür Ersatzkämmchen kaufen konnte, das war praktisch und ökonomisch. Leider gibt es jetzt keine Ersatzkämme mehr, und ich hoffe, dass die letzten noch sehr lange halten.
Mein Füller
Stefanie Krecek, Fulda
„Ein Füller ist etwas ganz Individuelles: Er muss gut in der Hand liegen und auch die Breite der Feder ist entscheidend. Eigentlich wollte ich mir im Handel einen Neuen kaufen, fand beim Aufräumen dann aber den Füller meines Sohnes. Den hat er vor 15 Jahren in der Grundschule genutzt. Von vertrockneter Tinte gesäubert habe ich ihn zunächst in einem Fachgeschäft ausprobiert, bevor ich mir einen Vorrat an Tintenpatronen zugelegt habe. Heute bin ich mit dem Füller total glücklich. Ich schreibe mit ihm so gut wie alles vom Einkaufszettel bis hin zu Briefen an meine Freunde und Familie. Als Schülerin habe ich etliche Füller kaputtgemacht, heute passe ich besser auf.“
Mein Schlafsack
Steffen Waßmann, Fulda
„Mit 17 bekam ich den Schlafsack von meinem Opa zu Weihnachten geschenkt und bis heute erfüllt er seinen Dienst. Im Laufe der drei Jahrzehnte, das heißt von Reise zu Reise, wurde er mir immer wertvoller. Als ich mich in Australien kurzfristig für eine Weiterreise nach Neuseeland entschied, kaufte ich mir zwei Kordeln, um ihn unten an den Rucksack dranzubinden. Eine davon ging verloren, die andere schnürt ihn noch heute zusammen. Wenn ich diese Kordel beim Zusammenrollen nicht sofort finde, steigt bei mir der Puls. Mein Jugendfreund lacht sich zwar jedes Mal kaputt, wenn ich meinen alten Schlafsack auspacke, aber ich bleibe dem Stück treu und bringe ihn immer mal in die Reinigung – obwohl er schon ein paar Mal geflickt wurde und die Kapuze fehlt.“
Mein Mobiltelefon
Rainer Witt, Poppenhausen
Der technikaffine Geschäftsmann hat sich nie von seinem Nokia 7110 getrennt. Vor 17 Jahren war es das perfekte Businesstool, reichlich ausgestattet und mit toller Sprachqualität. Zudem konnte man mit ihm Sportergebnisse von der Telekom abrufen. „Ich ging mit dem Hund spazieren und schaute dabei gebannt auf das kleine, grün hinterleuchtete Display. Das war ziemlich crazy damals.“
Heute ist es eher umgekehrt. Er benutzt es gezielt als Zweittelefon, etwa wenn er auf dem Messestand ist. „Beim Smartphone drücke ich auf irgendeinen Knopf und es passiert sofort etwas mit mir. Mit dem Nokia ist es anders. Das lässt mich in Ruhe. Ich verabrede mich mit Kunden, aber ich schaue nicht sogleich, ob inzwischen wieder eine Mail oder eine Whatsapp-Nachricht eingetroffen ist. Diese reinen Telefonmaschinen entschleunigen. Vielleicht ist das auch eine Art, ein bisschen Widerstand zu leisten gegen die schnelle Welt, die dich immer mitreißt.“
Mein Flipperautomat
Matthias Klüber, Fulda
„Wenn ich gestresst bin, spiele ich gerne ein paar Minuten Flipper, um mich zu beruhigen. Dann auch am ‚Nitro Ground Shaker’ aus dem Jahr 1975. Bei alten Automaten verläuft das Spiel ruhiger, und ich kann einfach mal eine Kugel laufen lassen. Neue Modelle sind durch LEDs deutlich heller und teilweise spielt man mit drei bis sechs Kugeln gleichzeitig. Viele erinnern die alten Flipper an ihre Jugend. Früher lief dienstags um 21.45 Uhr ‚Dallas’ im Fernsehen. Allerdings gab es in der Kneipe an diesem Abend immer Freispiele am Flipper. Mein Kumpel und ich haben es kaum geschafft, uns die Serie anzuschauen. Heute kann ich zum Glück jederzeit in meiner eigenen Sportbar ‚Bulls & Balls’ flippern. Als echter Punktejäger knacke ich mit Vergnügen die Highscores.“
Rolf-G. Herchen, Margretenhaun
Mein Fotoobjektiv
Mit der Umstellung auf die Digitalfotografie gerieten die Profifotografen unter Druck: Ständig kam etwas Neues, Besseres auf den Markt. Auch der heimische Sportfotograf Rolf-G. Herchen – bekannt als Charlie Rolff – investierte riesige Summen. In seiner Vitrine stapeln sich ausgemusterte Kameras und Objektive. Ein Stück allerdings begleitet ihn schon sein ganzes Berufsleben: das 600-mm-Teleobjektiv mit Lichtstärke 4. Mit diesem Monsterteil, Mitte der Achtziger erstanden, rückt er erbarmungslos Sportlern, Trainern, zuweilen auch Amseln auf der Torlatte zu Leibe. 1995 hat ihn das 6 kg schwere Teil bis nach Las Vegas begleitet, als der Deutsche Boxer Axel Schulz gegen George Foreman spektakulär um den verdienten Sieg gebracht wurde. So ein Objektiv verkauft man nicht, das benutzt man noch, selbst wenn der graue Star beginnt, sein Nest zu bauen.
Mein Landrover
Joachim Schleicher, Poppenhausen
Gekauft hat der Revierförster den Landrover vor 14 Jahren. Da standen schon 316.000 km auf dem Tacho. Heute sind es 539.000 – auch dank dem Improvisationstalent seines Autoschraubers. Gleichwohl ist das privat und beruflich genutzte Auto mit meist unter 10 Litern Verbrauch wirtschaftlich, vor allem, wenn man die vielen Waldfahrten berücksichtigt. Es zieht nicht nur schwere Anhänger und ist vielseitig, „es ist auch eine Ikone der Gestaltung“, wie er sagt. „Seit der Zeit, in der ich dieses Auto fahre, wurde für meinen Zweck nichts Praktikableres entwickelt. Etwas Neues wäre nicht besser. Außerdem sind die Ressourcen, die man für die Herstellung eines Autos braucht, gigantisch. Statt jedem Liter Verbrauch hinterherzurennen, ist es besser, weniger zu fahren und dafür die alten Dinge länger zu benutzen.“ Sein Plan: Nutzung bis zur Rente und darüber hinaus.
Meine Cowboystiefel
Andreas, Ehrenberg
„Die Cowboystiefel aus Elefantenleder habe ich mir bei meiner ersten USA-Reise in San Antonia, Texas, im Jahr 1986 gekauft, für 460 Dollar. Dazu gab es ein Zertifikat, dass das Leder von bereits toten Tieren stammte: Wildhüter haben es weiter verwertet, weil die Jäger nur die Stoßzähne wollten und den Rest liegen gelassen haben. Mein Bekannter kaufte sich ähnliche Stiefel. Am Flughafen warf der Zollbeamte einen sehr scharfen Blick auf unsere Füße, dann winkte er uns durch und sagte: ‚Na los, seht zu, dass ihr Land gewinnt!`
Heute wäre so etwas natürlich undenkbar, legal kann man solche Stiefel kaum noch erwerben. Die Stiefel trage ich noch heute zu Hochzeiten oder anderen Feierlichkeiten.“