„Man findet nicht das Nonplusultra“
Jeder Topf findet seinen Deckel, sagt man. Stimmt aber nicht. Manch ein Topf bleibt trotz intensiver Suche unbedeckelt und rostet schließlich traurig vor sich hin.
Dass es dann doch nicht so viele sind, liegt an Menschen wir Bettina Köhler. Seit vier Jahrzehnten hilft sie anderen bei der Partnersuche – ganz klassisch ohne Internet, dafür mit einer erstaunlichen Erfolgsquote.
Bettina Köhler
Frau Köhler, wie wird man Partnervermittlerin?
Damals lebte ich in Großentaft. Ich hatte eine kaufmännische Ausbildung, aber im Ort gab es kaum berufliche Möglichkeiten. Die Kinder waren klein, ich wollte nicht ganztags arbeiten. Da entdeckte ich eine Anzeige: Eine Dame suchte für ihre Partnervermittlung eine Nachfolgerin. Da dachte ich mir: Du kannst gut mit Menschen umgehen, hast Einfühlungsvermögen, warum eigentlich nicht? Ich war unsicher, ob das klappt in einem katholischen 1000-Seelen-Dorf. Dennoch habe ich es gewagt. Das war natürlich die Sensation.
Hatte es damals etwas Anrüchiges?
1978 hieß das ja Eheanbahnungsinstitut. Ich dachte mir, die Ehe anzubahnen, ist etwas Seriöses, aber die Verwandtschaft ließ mich von da an links liegen. Da rief ich den Pfarrer an und erzählte es ihm. Da hat er geantwortet, er finde auch nichts Verwerfliches dran, das sei in Ordnung, wenn ich Menschen helfe, die alleine keinen Partner finden können. Danach waren alle wieder freundlich zu mir.
Ich hatte schnell eine gute Resonanz, die Anzeigen, die ich formulierte, fanden Anklang. Ich besuchte Managementkurse und Psychologieseminare. Wenn ich mich in etwas hineinstürze, dann mit voller Energie.
Wie fängt man an, wenn man niemanden in der Kartei hat?
Ich musste einfach das „Objekt Mann“, das ich zuerst aufgenommen hatte, in die Zeitung setzen, damit sich eine Frau meldet. Durch solche Rückmeldungen hat sich das Klientel aufgebaut. Solche Inserate muss ich auch jetzt noch wöchentlich schalten, um genügend Auswahl in der Kartei zu haben. Das ist zwar teuer, aber für mich steht der Mensch im Vordergrund, nicht der kommerzielle Gedanke. Deswegen hält sich meine Vermittlungsgebühr auch auf einem Niveau, das jeder aufbringen kann.
Sie haben eine analoge, also klassische Partnervermittlung. Wie läuft so etwas ab?
Wenn ein Partnersuchender in mein Institut kommt , führe ich mit ihm ein ausführliches Beratungsgespräch. Ich erfahre dabei, welche Beweggründe ihn zu mir führen. Wenn er von meiner Arbeit überzeugt ist und vermittelt werden möchte, wird ein Personalbogen ausgefüllt . Diesen gehe ich mit ihm oder ihr noch mal gemeinsam durch und wir schauen, inwieweit Veranlagungen und Eigenschaften noch nachgetragen werden sollten. Auf dieser Basis erstelle ich ein Profil. Vor allem gemeinsame Interessen sind wichtig, sonst gibt es in der Freizeit keine Übereinstimmungen. Wenn der eine Partner sonntags lieber auf der Couch liegt und Bücher liest und der andere möchte lieber an die frische Luft zum Beispiel Radfahren oder Wandern, ist eine Beziehung oft zum Scheitern verurteilt.
Können Sie sich nach nur einer Stunde ein gutes Bild von der Person machen?
Schon wenn ein Interessent reinkommt, weiß ich oft, wer aus meiner Kartei dazu passen könnte. Aber natürlich hilft der Computer im Abgleich von Alter und Interessen. Freitags sitze ich oft lange am Schreibtisch und mache Partnervorschläge. Wenn zwei Menschen sich getroffen haben und es war keine große Sympathie vorhanden, melden sie sich wieder. Sie sind in der Regel sechs Monate im Partnerpool, da muss ich also weiterarbeiten. Wenn ich ein neues Profil gefunden habe, das passen könnte, bekommt er weitere Partnervorschläge per E-Mail oder per Post zugeschickt.
Wie viele Vorschläge bekommt man, wenn man in Ihrer Kartei ist?
Pro Woche etwa einen.
Dann bekomme ich während der Vertragsdauer etwa 25 Vorschläge?
Das brauchen die meisten gar nicht. Oder wenn es zu oft nicht passt, verlieren manche auch das Interesse, sich weiter vermitteln zu lassen.
Steht auf dem Umschlag „Partnervermittlung Bettina“?
Nein, von außen ist nichts zu sehen [lacht], Diskretion ist natürlich ganz wichtig in dem Beruf. In dem Brief sind die Dame oder der Herr vollständig benannt: E-Mail, Telefon, Adresse, Beruf und so weiter. In der Regel nehmen die Herren zuerst Kontakt auf, das ist den Damen lieber.
Mit einem Foto?
Nein. Ich arbeite bewusst ohne Fotos, schon weil es alles Menschen aus der Region sind. Das wäre indiskret.
Eine Frau, die ihren Mann über eine klassische Partnervermittlung kennengelernt hatte, sagte mal: „Wenn ich von ihm zuerst ein Foto auf dem Tablet gesehen hätte, hätte ich ihn sofort weggewischt, weil er eigentlich nicht in mein Beuteschema passt.“ Sie hätte also ihr Glück beiseite gewischt.
So ist das! Wenn mich jemand fragt, ob ich keine Bilder habe, sage ich ihm, dass ein Bild nichts über einen Menschen aussagt. Ich ärgere mich schon, wenn die Leute vorab über WhatsApp Bilder austauschen, weil sie dann alles von einem Foto abhängig machen. Sie müssen sich doch erst mal kennenlernen! Sie müssen sich einfach gegenübersitzen, und vielleicht entdecken sie dann etwas am anderen, was sie fasziniert: die Augen, oder die ganze Art, wie er oder sie sich gibt.
Ich hatte vor zwei Jahren folgenden Fall: Eine Frau suchte nach einer Trennung einen neuen Partner. Auf der anderen Seite hatte ich einen interessanten, verwitweten Geschäftsmann aus dem Landkreis. Er sah optisch nicht schlecht aus, eben ein gepflegter Durchschnitt. Ich wollte sie miteinander bekannt machen, aber sie hatte eine Freundin, die ihn kannte: „Du wirst dir doch nicht mit dem treffen wollen!“ Sie hat ihn also bei ihr negativ beschrieben. Ich riet ihr aber zu, weil er so ein liebenswerter Mann ist. Die beiden haben lange miteinander telefoniert. Da merkte sie schon am Telefon, was für ein einfühlsamer Mensch das ist. Dann trafen sie sich, und sie erzählte mir, obwohl er optisch nicht so ihr Typ war: „Ich habe mich so in diesen Mann verliebt! Einen Besseren hätten sie mir nicht vorstellen können!“
Beim Thema Optik muss ich öfter mal eingreifen und sagen: Warum sperren Sie sich?
Das Interview führten (v. l. n. r.): Steffen Waßmann, Hanno Henkel,
Andreas Sauer und Arnulf Müller (nicht im Bild)
Sie schreiben auf Ihrer Internetseite, dass Sie seit 1978 Amor spielen. Können Sie auch was dafür tun, dass aus einer Begegnung Liebe entsteht?
Da habe ich natürlich keinen Einfluss drauf. Ich kann nur schauen, dass Interessen, Niveau und Äußeres passen. Ich kann nicht alle Wünsche berücksichtigen, aber so ungefähr. Dann muss man schauen, ob der Funke überspringt. Wenn nicht, melden sich die Leute wieder. Aber ich habe eine hohe Erfolgsquote, ich denke mal so 70 Prozent.
Wie viele Paare haben Sie schon glücklich gemacht?
Das sind so viele, das kann ich nicht mehr nachvollziehen.
Was tun Sie, wenn jemand verlassen wurde und zu Ihnen kommt, obwohl er noch am alten Partner hängt?
Wenn ich spüre, dass er vermittelt werden möchte, um seine alte Geschichte zu überwinden, rate ich ihm ab. Wenn er es trotzdem möchte und nach der ersten Begegnung merkt, dass es noch nicht so weit ist, um sich an einen anderen Partner zu gewöhnen, lassen wir den Vertrag ruhen. Sie fühlen das selber. Das gibt es auch, wenn Menschen aus tiefster Trauer zu mir kommen.
Sie sprechen viel von Interessengleichheit. Machen Sie auch mal mutige Vorschläge: Landwirt und Medizinerin? Vielleicht, wenn Sie spüren, dass jemand mal raus muss aus seiner Welt?
Wenn Sie jetzt sagen „Landwirt und Medizinerin“, dann schau ich vorher, ob die Frau sehr naturverbunden und tierlieb ist, vielleicht ein Pferd hat oder Ähnliches. Auf der anderen Seite sollte der Landwirt einen guten Hof haben, vielleicht studierter Agrarbetriebswirt sein und stimmige Umgangsformen haben. Ich habe so etwas auch schon gemacht. Es muss immer auf Augenhöhe sein, das geistige Niveau muss passen.
Früher hatte man den Eindruck, dass der Gang zur Partnervermittlung das Kennzeichen einer gewissen Not ist.
Damals haben es sich die Leute noch schwergemacht, um professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Heute ist es nichts Ungewöhnliches mehr. Viele haben stressige Berufe, dann scheitert die Ehe. Wo lerne ich jemanden kennen? Im Verein hat man nicht immer Glück, ältere Leute gehen nicht mehr gerne in ein Tanzlokal. Also probieren sie es auf diesem Weg. Viele sitzen vor mir und sagen: „Das hätte ich nicht gedacht, dass ich mal zu einer Partnervermittlung gehen muss.“ Das sind alles Menschen, die eigentlich keine Hemmungen haben. Wer welche hat, kommt erst gar nicht. Ich habe manchmal auch geschiedene Paare in der Kartei, da muss ich höllisch aufpassen.
Aufpassen, dass sie Ihrem Klienten nicht versehentlich die Karte mit den Daten seiner Exfrau zuschicken, weil es so gut zu passen scheint?
Genau das ist mir passiert! [Gelächter] Normal merke ich es an der Namensgleichheit, nur in diesem Fall hatte die Frau wieder ihren Mädchennamen angenommen. Aber beide haben es mit Humor genommen. Zur Sicherheit frage ich diskret nach, wo sie früher gewohnt haben. Die beiden dürfen es ja vom anderen nicht wissen, dass er oder sie auch auf diesem Weg sucht.
Unser Schwerpunktthema lautet “Liebe für alle?”. Im Hintergrund steht die Erfahrung, dass es für manche Menschen eine schlimme persönliche Not bedeutet, aufgrund bestimmter körperlicher oder geistiger Merkmale von diesem wichtigen Lebensbereich ausgeschlossen zu bleiben. Haben Sie manchmal mit Menschen zu tun, die extreme Schwierigkeiten haben, einen Dialog mit dem anderen Geschlecht anzufangen?
Meinen Sie zum Beispiel extrem schüchterne Menschen? Zu mir kommen eigentlich nur Menschen, die solche Schwierigkeiten nicht haben. Einmal kam ein Mensch mit einer Körperbehinderung zu mir. Das war auch leider nicht erfolgreich. Und ich hatte mal einen MS-kranken Mann, der hatte einen guten Job und war noch mobil. Ich habe gesagt: „Ich nehme Sie in die Kartei auf, aber garantieren kann ich es nicht.“ Auf der anderen Seite hatte ich eine Frau, bildhübsch, die an Kinderlähmung litt. Als ich ihr nun diesen Mann vorstellen wollte, lehnte sie ab: „Wenn ich schon behindert bin, möchte ich nicht auch noch einen behinderten Mann haben.“ Wenn mich ein Mensch anruft, der im Rollstuhl sitzt, ist es für mich immer sehr schwer zu sagen, dass das kaum Aussicht auf Erfolg hat. Ich muss ihm die geringen Chancen aber ehrlicherweise mit viel Einfühlungsvermögen darstellen.
Wer zu Ihnen kommt, zieht diesbezüglich also klare Grenzen?
Ja. Wenn sich Menschen privat begegnen, ist das wieder eine ganz andere Sache! Man begegnet sich Auge in Auge, ohne jede Erwartung, und es kann sich trotzdem etwas entwickeln. Aber wenn ich den Mann im Rollstuhl in die Kartei aufnehme, sagt mir die Frau „Ich will doch etwas mit meinem Mann unternehmen, will Fahrrad fahren!“ und so weiter. Das wird dann einfach abgelehnt. Da ist es besser, sich auf entsprechende Zeitschriften zu konzentrieren und privat zu inserieren, weil man dann vielleicht Menschen mit gleicher Ausgangslage anspricht.
Für Menschen mit geistigen Einschränkungen gibt es zum Beispiel die Partnervermittlung „Schatzkiste e. V.“, über 40-mal in Deutschland, aber nicht in Fulda.
So etwas muss vor Ort sein, sonst gibt es Probleme mit der Entfernung.
Ist Liebe für alle also eine Illusion?
Ja, kann man so sagen.
Überfordern sich Menschen mit der Idee der reinen Liebe, also einer Liebe, die ganz frei von jeder Zweckintention ist?
Die Liebe kann wachsen, auch wenn es am Anfang vielleicht nicht die große Liebe ist. Das spontane Verliebtsein hält meistens nicht so lange im Vergleich zu etwas, das aufgrund von großer Gemeinsamkeit zusammenwächst. Man gewöhnt sich auch aneinander. Wenn ich Menschen zusammenbringe, muss zunächst Sympathie da sein. In der Folge davon entsteht oft Liebe. Manchmal macht es aber auch sofort klick.
Sie sehen das sehr pragmatisch.
Ich sage immer: „Die große Liebe, die vergeht.“ Wenn Ehen von außen zusammengeführt wurden, wie das früher oft so war, damit „Geld zu Geld kommt“, hat es trotzdem oft funktioniert. Heute haben wir mehr Ehescheidungen, weil die Frau einen guten Beruf hat und unabhängig ist. Früher hat man sich eher wieder zusammengerauft, und je älter ein Paar wurde, desto mehr schätzten die Partner, dass sie noch zusammen waren. Man muss sich immer klarmachen, was man da vorschnell wegwirft. Man findet nicht das Nonplusultra.
Bereitet Ihnen die Arbeit nach so langer Zeit noch Freude?
Mir wird das nicht langweilig, deswegen arbeite ich noch. Der Beruf ist stark personenabhängig, die Menschen bauen Vertrauen zu mir auf. Nach dem Tod von meinem Mann habe ich noch mehr Einfühlungsvermögen entwickelt. Da konnte ich mich wirklich in die Lage der Menschen versetzen, die plötzlich alleine sind. Das hatte ich vorher nie erlebt. Die Erfahrung war für mich nicht gut, aber für meinen Beruf sehr wichtig. Wenn heute jemand kommt und eine ganz schlimme Geschichte hinter sich hat, gebe ich wirklich alles.
von Arnulf Müller