Im Internet zu Hause – in der Region verwurzelt
Ich war ein mittelmäßiger Schüler, und schon damals blitzte eher der Kaufmann in mir durch.
Ahmet Gülays Geschäft ist täglich 24 Stunden und an sieben Tagen in der Woche geöffnet – auch wenn sein Büro geschlossen ist. Das Internet, besser gesagt dessen Nutzer, scheinen niemals zu schlafen. Ob drei Uhr morgens, an Heiligabend oder kurz nach Mitternacht an Silvester:
Menschen aus ganz Deutschland bestellen Handys und entsprechende Verträge bei der preisboerse24 in Fulda.
Wir schauen eigens nach: 3000 Besucher stöbern gerade auf der entsprechenden Internetseite, betrachten Mobiltelefone und prüfen Tarifangebote. Am Ende des Tages werden es zwischen 30000 und 50000 Besucher gewesen sein. Angesiedelt in einer Markthalle, würde ein hektisches und lautes Treiben vorherrschen. Im Büro des 44-jährigen Ahmet Gülay ist es jedoch nahezu still, auch wenn im Minutentakt neue Aufträge eingehen. Täglich schließt er mehr Verträge ab als ein Mobilfunkgeschäft auf der Frankfurter Zeil. Dennoch strahlt Gülay eine ähnliche Ruhe aus wie die kleine Buddha-Statue auf seiner Fensterbank.
Im Alter von sechs Jahren kam Ahmet Gülay mit seiner Familie von Bad Soden-Salmünster nach Fulda. Er besuchte zunächst die Heinrich-von-Bibra-Schule und entschied sich später für eine Fachschulausbildung zum staatlich geprüften Maschinenbauer an der Ferdinand-Braun-Schule.
Während seine Kameraden nach abgeschlossener Ausbildung umgehend attraktive Arbeitsplätze fanden, blieb der junge Gülay übrig. Sein einziges Jobangebot war der Bau von privaten Flugplätzen in Saudi-Arabien. Doch die Aussicht, jährlich ein halbes Jahr in der Wüste zu leben, sagte ihm und seiner Frau nicht zu. So zog er das Fuldaer Land der Wüste Saudi-Arabiens vor. Tief im Inneren wusste er zudem, dass Maschinentechnik nicht seine wahre Leidenschaft ist. „Meine Familie und Freunde haben sich von Anfang an gefragt, warum ich das gelernt habe“, sagt Gülay lachend.
So machte er aus der Not eine Tugend und eröffnete 1994 die Preisagentur in Fulda. Sein ursprünglicher Traum, Unternehmer zu sein, ging in Erfüllung – zunächst noch ganz ohne Internet. Während der Ausbildung waren er und seine Kollegen häufig knapp bei Kasse. Geld sparen stand hoch im Kurs, auch wenn Gülay im Grunde kein Sparfuchs ist. Eines seiner Talente kam allen zugute: Ihm fällt es leicht, auf Menschen zuzugehen und neue Kontakte zu knüpfen – auch weil er seinem Gegenüber zuhört und dadurch dessen Bedürfnisse erkennt. Aus reiner Freude hatte er seinen Freunden günstige Warenangebote von bekannten Unternehmern vermittelt. Erst mit der Preisagentur wurde daraus ein einfaches, aber lohnendes Geschäftsmodell: Suchte jemand beispielsweise eine bestimmte Waschmaschine, die damals 1000 D-Mark kosten sollte, vermittelte er das gleiche Modell für 700 D-Mark und berechnete 100 D-Mark als Provision. Unter dem Strich für alle Parteien ein gutes Geschäft.
An Internet oder gar soziale Medien à la Facebook war zu dieser Zeit noch lange nicht zu denken. Ganz klassisch durch Zeitungswerbung und Flyer erfuhren die Kunden von der Preisagentur, die kostengünstig Elektronikartikel und später sogar Autos vermittelte. Durch seinen heutigen Geschäftspartner Timo Fleischmann kamen Handys und Mobilfunkverträge hinzu. „Von Anfang an hat mich die zwischenmenschliche Kommunikation fasziniert. Handys wurden immer erschwinglicher, zuvor konnte sie sich nur ein exklusiver Kreis leisten“, sagt Gülay begeistert und fügt etwas nachdenklich hinzu: „Plötzlich war man überall erreichbar, wobei wir es heute damit etwas übertreiben.“
Kurz darauf wurde das Neuland Internet immer spannender: 1998 startete der Onlinemarktplatz eBay in Deutschland. Fleischmann und Gülay befassten sich intensiv mit dem neuen Medium. Es war eine technisch aufregende Zeit für die beiden, die sich sicher waren, dass Handys und Internet bald miteinander verschmelzen würden. „Heute ist das Telefonieren fast schon ein Abfallprodukt“, erklärt Gülay. „Alles dreht sich um den Zugang ins Internet, um Facebook und WhatsApp. Schlaue Menschen haben diesen Trend bereits vor zehn Jahren erkannt.“ Im Jahr 2001 startete der Onlineshop preisboerse24.de.
„Es war ein überwältigendes Gefühl, nun von allen erreicht werden zu können. Du sitzt in Fulda und hast plötzlich deinen ersten Kunden aus Berlin! Es hatte schon etwas von Goldgräberstimmung.“
Heute vermisst Gülay diese Anfangsromantik ein wenig, auch wenn seine Internetseite während der ersten Jahre „vor sich hin geplätschert ist“. Das darf nicht verwundern: Damals nutzten deutlich weniger Bundesbürger das Internet, und es gab unter ihnen vielleicht eine Million Handynutzer. Unterdessen ist das World Wide Web für viele zur zweiten Heimat geworden, und es gibt in Deutschland mehr Mobilfunkanschlüsse als Einwohner.
Der unternehmerische Erfolg wurde erst 2003 am Horizont sichtbar. Es begann ein rasanter Aufstieg. Heute beschäftigt das Fuldaer Unternehmen 20 Mitarbeiter und generiert Umsätze in Millionenhöhe. Seit 2013 kann man den Fuldaer Firmennamen sogar auf der Bandenwerbung des Fußball-Erstligisten Schalke 04 entdecken. Für Schalke ist die Preisbörse ein wichtiger Sponsor, und für Gülay und seinen Mitstreiter ist Schalke ein guter Partner, um die Firmenmarke im Bewusstsein von möglichst vielen Menschen zu verankern.
Manche Leute glauben, Gülay und Fleischmann hätten einfach das Glück, sich zur richtigen Zeit mit genau den richtigen Dingen beschäftigt zu haben. Doch Gülay wiegelt ab: „Wir haben uns nicht in ein gemachtes Nest gesetzt, sondern die Jahre zuvor hart gearbeitet, viel investiert und auch Lehrgeld bezahlt.“
Mehrfach standen sie kurz davor, aufzugeben. Doch an einem gewissen Punkt hat sich der Knoten gelöst. Sie blieben dran, glaubten fest an ihre Idee. Eine Seite ins Internet zu stellen und diese zu bewerben reicht nicht, denn schneller Erfolg kann durchaus auch eine Gefahr sein. Zu viele Bestellungen führen bei mangelhafter Logistik zu negativen Kundenbewertungen. Genaue Planung ist deshalb so wichtig, damit alle Artikel auch tatsächlich in ausreichender Menge vorrätig sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, den virtuellen Kunden als Menschen wahrzunehmen und ihn auch so zu behandeln. Gülay hat von Anfang an in die persönliche Kundenbetreuung investiert und eigens dafür Mitarbeiter angestellt. Jede E-Mail wird während der Arbeitszeit nicht nur flott, sondern vor allem individuell beantwortet. Gülays und Fleischmanns Erfahrungen aus dem Fachhandel kommen hier zum Tragen.
Durch unzufriedene Kunden kann der Ruf eines Internethandels binnen weniger Wochen irreparabel geschädigt sein – auch „dank“ sozialer Medien wie Facebook & Co. Es geht aber auch andersherum, wenn glückliche Kunden öffentlich Gutes über die Firma berichten und damit dem Unternehmen helfen, bekannter zu werden.
„Das Web 2.0 ist ein Meilenstein in der Geschichte des Internets, denn plötzlich konnte jeder ganz einfach eigene Inhalte mit Menschen auf der ganzen Welt teilen.“ Soziale Netzwerke und Plattformen wie StudiVZ, wer-kennt-wen, MySpace und Youtube schossen wie Pilze aus dem Boden, doch nur wenige spielen heute noch eine Rolle.
wer-kennt-wen wurde beispielsweise bereits eingestellt. Für Gülay ist Facebook am wichtigsten. Die Marke von 30000 Fans sollte die preisboerse24 bald knacken. Die Fans ständig mit Produktangeboten zu überhäufen ergäbe dabei wenig Sinn. Effektiver für die Kundenbindung ist ein Mix aus Neuigkeiten aus der Handy- und Mobilfunkbranche mit rein unterhaltenden Inhalten wie passenden lustigen Bildern.
„Facebook entwickelt sich enorm, auch weil die ältere Generation die anfängliche Scheu vor dem sozialen Netzwerk verliert.“
Geschäftsleute wie Ahmet Gülay zeigen auf, wie sehr sich das Bild des klassischen Unternehmers gewandelt hat. Mit seinem Tablet hat er rund um die Uhr und von überall Zugriff auf sein Unternehmen. Bis auf das Lager und den Versand braucht es keinen starren Arbeitsplatz mehr. Während der „Tatort“ im Fernsehen läuft, können Gülay und seine Kollegen sich einloggen, die Zahlungseingänge prüfen und mit einem Klick die Lieferung freigeben. Am nächsten Morgen geht das entsprechende Paket auf Reisen. „Wir sind online“, sagt Gülay mit Nachdruck. Er kann sich an keinen Tag in den letzten Jahren erinnern, an dem er nicht im Internet war. Auch privat ist er rege auf Facebook unterwegs. Und gemeinsam mit seiner Frau Tatjana und seinem Geschäftspartner Fleischmann hat er stets ein Auge auf die Onlinekonkurrenz. Gülay kommt so auf etwa 60 Arbeitsstunden pro Woche. Als Ausgleich unternimmt er regelmäßig Kurzurlaube mit seiner Frau, die im Übrigen die Buchhaltung der Firma leitet. Zwar ist er auch hier jeden Tag online, doch seine Firma ist dann weit weg: Dort „surft“ er nicht einmal vorbei. Urlaub bleibt dann doch arbeitsfreie Zeit. Gülay selbst ist mit der Zeit ruhiger und entspannter geworden.
„Dank der vernetzten Welt sehen wir, wie gut es uns im Vergleich zu anderen Menschen geht. Man schaue sich nur die aktuellen Krisenherde an. Daher möchten wir nicht auf hohem Niveau über unsere Arbeitszeiten meckern. Zumal wir ja in einem Bereich tätig sind, der uns Freude bereitet und durch den wir uns den Traum, selbstbestimmt zu arbeiten, erfüllen können.“
Zeit für Familie und Freunde ist ihm dennoch wichtig, denn zwischen virtuellen Facebook-Kontakten und echten Freunden bestehe immer noch ein großer Unterschied. Die sozialen Medien seien für viele Menschen ein interessanter Zugang zur Welt, doch niemandem würde lediglich ein virtuelles soziales Umfeld genügen. Und auch als wasch echter Onliner ist Gülay aus tiefer Dankbarkeit mit der Region verwurzelt: Hier hat alles seinen Anfang genommen. Viele Freunde und Bekannte haben ihn auf seinem steinigen Unternehmensweg unterstützt.