„Es geht weit mehr, als man denkt“

Peter Henkelmann, der Geschäftsführer von Media Markt Fulda, im Interview:

SeitenWechsel: Denkt man an den Media Markt, fällt einem zuerst der Spruch ein: „Ich bin doch nicht blöd!“ Sie selbst setzen sich seit Jahren für junge Menschen ein, die sich mit Ausbildung und Beruf schwertun. Als Vollblut-Businessman könnten Sie doch dasselbe sagen.

Peter Henkelmann: „Gerade weil wir nicht blöd sind, geben wir auch Menschen, die in der ersten Perspektive nicht als Verkäufer in Frage kommen, eine Chance. Jeder hat eine Stärke, ein besonderes Highlight, das gilt es herauszuarbeiten. In so einem Markt fallen auch Arbeiten an, die jemand machen kann, der kein Verkaufsgenie ist, der sich z.B. nur schwer artikulieren kann. Dafür hat er vielleicht ein gutes Zahlengedächtnis, kann zuverlässig Verkaufshaken bestücken, Fotoarbeiten einsortieren. Man muss genau hinschauen.“

SeitenWechsel: Sie sagen also nicht nur zu den Kunden, sondern auch zu Jugendlichen, die große Probleme haben: „Lasst euch nicht verarschen!“

Peter Henkelmann: „Ja, vor allem nicht beim Preis! Nein, Spaß beiseite. Natürlich würde ich jeden jungen Menschen dazu ermuntern, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Manche brauchen einfach mehr Zeit, und die muss man ihnen geben. Nicht jeder ist ein Frühstarter und ganz ehrlich, ich war auch keiner. Man muss auch mit 20 oder 25 noch nicht so weit sein. Wir versuchen, genau hinzugucken und hinzuhören, in welcher Lebenslage jemand steckt. Dann probieren wir aus und merken: Das eine funktioniert und das andere nicht. Das tut ja jeder für sich selbst auch: Man stellt sich vor, dass man etwas Bestimmtes kann, stellt dann aber fest, man kann es doch nicht so gut. Aber bei diesem Versuch stellt sich heraus, dass man ja etwas anderes besonders gut kann.“

SeitenWechsel: Ein anderer Slogan ihrer Geschäftskette lautet: „Gut, dass wir verglichen haben!“ Nun lautet aber das Motto des Antoniusheimes: „Jeder ist anders“ – d.h., es soll ja gerade nicht verglichen werden.

Peter Henkelmann: „Das kann man auch anders verstehen, denn im Vergleich liegt ja Differenzierung. Weil jeder anders ist, kann man ja gut vergleichen: der eine für diesen Bereich, der andere für jenen. Gerade weil jeder anders ist, müssen wir genau hinschauen und vergleichen, um herauszufinden, wer für welche Tätigkeit geeignet ist. Im Antoniusheim und bei der Perspektiva läuft das ja genauso: Da wird auf Menschen und ihre Talente geschaut und dabei kommt heraus: Hier ist jemand für die Tonwerkstatt, hier für Landschaft und Garten, hier jemand für den ersten Arbeitsmarkt. Also: Gut, dass wir verglichen haben! Denn: Jeder ist anders!“

SW: Wenn Sie so differenziert auf den Einzelnen schauen, dann stimmt aber zumindest dieser Satz nicht: „Wir können nur billig!“

Peter Henkelmann: „Okay, es ist nicht nur der Preis, das muss man klar sagen. Es sind die Menschen in einem Unternehmen. Die machen es ja aus. Wer das nicht erkennt, wird scheitern. Mitarbeiter sorgen für Wohl und für Wehe, das ist klar. Aber wenn man die richtige Auswahl und Balance hat, dann stimmt es sowohl für die Menschen als auch für den Betrieb.“

SW: Vor ein paar Monaten wurde der neue Markt an der Petersberger Straße eröffnet. Kurz bevor die Türen für die Schnäppchenjäger geöffnet wurden, standen Sie vor Ihren Mitarbeitern und riefen: „Leute, fette Beute!“ Diese Mentalität des Kampfes um Marktanteile passt doch gar nicht zu Menschen, die einen anderen Rhythmus haben, die vielleicht langsamer denken und handeln. Wie geht das unter einen Hut?

Peter Henkelmann: „Weil sie gerade diese Angriffsstimmung, ja Angriffslust ansprechen, da fällt mir der Sport ein: Da gibt es auch einen hängenden und einen steil spielenden Stürmer – das muss sich ergänzen. Die Mentalität unserer Kunden ist auch unterschiedlich. Der eine schreckt zusammen, wenn er angesprochen wird, der andere wartet darauf. Manchmal ist es angenehmer, wenn sich ein Verkäufer defensiver verhält, als wenn er gleich losbrüllt: „Komm her, ich zeig dir ma´ en dolles Teil!“ Jeder hat seinen Stil. Das darf man nicht ändern wollen, das muss authentisch sein. Also noch mal: Auch wenn wir offensiv aufgestellt sind, müssen wir defensive Leute haben. Die Mannschaft nach individuellen Stärken aufstellen, das ist es.“

SW: Das klingt alles so, als wäre der Impuls für Ihr soziales Engagement nicht das Mitleid?

Peter Henkelmann: „Ha, auf keinen Fall! Das Motiv ist der Respekt vor den Menschen und das Wissen darum, dass jeder Einzelne Talente hat. Das ist so. Natürlich denkt man auch fürsorglich. Man denkt als Unternehmer ein Stück weit so, wie Eltern denken sollten: Was kann mein Kind? Dann soll es das auch machen. Denn wenn es machen darf, was es kann, wird es viel Freude an dieser Sache haben. Und auch in einer Familie darf man ein Kind nicht zu behutsam anfassen. Es muss einen Rahmen geben, wo es reinwachsen, wo es sich aktiv integrieren muss. So ist das auch bei Menschen mit einem Handicap. Eine fürsorgliche Haltung verlangt, sie individuell zu unterstützen, ihnen aber zugleich so viel Normalität wie möglich zuzumuten.

SW: Also doch nicht nur „die Mutter aller Schnäppchen“ …

Peter Henkelmann: „Nein, nicht nur, das Soziale gehört schon dazu. Aber wie gesagt, ein starkes Motiv ist auch die Einsicht, dass die Andersheit der Menschen einen runden Ablauf erst möglich macht. Jeder Mitarbeiter hat eine Funktion, die das Ganze rund macht. Ein Rad greift ins andere. Wenn der Verkäufer trommelt:„Ich bin der Wichtigste!“, dann vergisst er das. Ob das, was jemand macht, auch vorne im Verkauf sichtbar ist, ist für den inneren Ablauf unwesentlich. Alle arbeiten am gleichen Ziel, nämlich einen zufriedenen Kunden zu haben. Wenn wir hier im Geschäft eine Position hätten, von der wir sagen würden, die ist nicht wichtig, dann hätten wir sie nicht. Es gibt größere und kleinere Zahnräder, und wir wissen vom Uhrwerk her, keines ist entbehrlich.“

SW: Haben Sie noch eine letzte Botschaft an die „Verrückten da draußen“?

Peter Henkelmann: „Ja, hab ich. Ich bin mir sicher, dass es überall Möglichkeiten gibt, Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen unterzubringen, nicht nur bei Mercedes, Media Markt, der Kurhessischen oder bei Weisensee. Manchmal ist es ein etwas längerer Weg, manchmal geht es auch schnell. Wichtig ist, dass das Team es zulässt und der Mitarbeiter sich wohlfühlt und sich integriert. Natürlich gibt es auch Experimente, die scheitern, das ist klar, aber es geht weit mehr, als man denkt.“

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