Bilanz
Gerold Effert (1932-2007) (aus: Das Papierschiff / Gedichte / 2000, S. 60)
Gedicht von Gerold Effert
Bilanz
Abgelaufen der Aufwind
früherer Tage, der
Leichthin uns trug
über Abgrund und Schlucht.
Ruhiger längst der heisse
Herzschlag, besänftigt,
gemildert vom Anhauch
kühlerer Luft.
Dennoch: Jahrelang
Honig geteilt und Wermut,
Wasser und herben Wein,
täglich geteilt das Brot.
Langsam erlernt die
Sprache wortlosen Blicks
Sprache der Hände.
Was bleibt uns?
Tage, heiter, und Tage,
grauverwölkt:
geschenkte Zeit.
Gerold Effert wird 1932 in Bausnitz im Riesengebirge geboren. Nach der Vertreibung 1946 strandet er in Osthessen. Das Abitur absolviert Effert in Rotenburg, danach studiert er Deutsch und Englisch in Marburg und Bristol. Seit den 60er Jahren wirkt er als Gymnasiallehrer in Fulda, später als Studiendirektor in der Lehrerausbildung. 1964 beginnt seine schriftstellerische Produktion als Erzähler, v. a. aber als Lyriker. Viele seiner Gedichte werden ins Englische, Italienische und Japanische übersetzt. Für sein literarisches Werk wird er mehrfach prominent ausgezeichnet, 2003 erhält er zudem den Kulturpreis der Stadt Fulda. Seine Lebensreise endet 2007.